Englisch schon im Kindergarten?
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Therapeutengeprüft

Englisch schon im Kindergarten?

Das Alter zwischen drei und sechs - optimales Zeitfenster für eine zweite Sprache - Im Hinblick auf die Vorstellungen der Europäischen Gemeinschaft liegen Deutschland - aber auch Frankreich und Grossbritannien - mit ihren sprachpädagogischen Konzepten für Kindergartenkinder weit zurück. Bereits zu Beginn der 2000er Jahre orientierten die EU-Staats- und Regierungschefs darauf, dass ihre Bürger bereits im frühen Kindesalter zwei Fremdsprachen erlernen.

Nicole Ulrich
von Nicole Ulrich
Kindertherapeutin
Mon, 14.08.2017 - 14:59 Tue, 07/23/2019 - 14:49

Jetzt schon für später lernen?!

In skandinavischen Kindergärten lernen heute bereits fast alle Kinder eine zweite Sprache. In Deutschland wünschen sich viele Eltern für ihre Kinder ebenfalls eine zweisprachige Erziehung, die so früh wie möglich einsetzt - und zwar auch dann, wenn Mutter und Vater nicht aus unterschiedlichen Nationalitäten stammen.

Sie verbinden damit den Zugang zu interkulturellen Kompetenzen und bessere Zukunftschancen für ihr Kind in einer globalen Welt. Die absolute Präferenz dabei liegt nach wie vor auf Englisch, das als die Weltsprache schlechthin betrachtet wird.

Auch aus Sicht vieler Sprachwissenschaftler wäre es am besten, wenn die Kleinen schon im Kindergarten Englisch lernen. Zwischen dem Englisch-Lernen in der Schule und im Kindergarten gibt es einen wichtigen Unterschied: Anders als im Schulunterricht lernen Kinder im Kindergarten die fremde Sprache spielend, unbewusst und ohne Scheu - genauso wie ihre Muttersprache.

Wenn Sie Ihr Kind in einen englischsprachigen Kindergarten schicken, geben Sie ihm damit ein Geschenk fürs Leben mit.

Das Alter zwischen drei und sechs - optimales Zeitfenster für eine zweite Sprache

Überforderung müssen Sie keinesfalls befürchten, wenn Ihr Kind bereits im frühen Kindergartenalter eine zweite Sprache lernt. Im Gegenteil: Der Spracherwerb wird nie wieder so einfach sein. Bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres bilden sich im Gehirn die neuronalen Netze für die Verarbeitung von Sprache aus.

Dabei wird nicht zwischen der Muttersprache und einer fremden Sprache unterschieden. Das Zeitfenster, in dem Kinder eine zweite Sprache sozusagen spielend lernen können, bleibt etwa bis zum Alter von sechs Jahren offen. Danach legt das Gehirn für jede neue Sprache ein eigenes neuronales Netzwerk an, was ihr Erlernen deutlich schwieriger macht.

Der Baseler Linguist Georges Lüdi hat in seinen Forschungsarbeiten sogar nachgewiesen, dass bei Kindern, die früh eine zweite Sprache lernen, auch die Muttersprache davon profitiert und es ihnen im späteren Leben leichter fällt, weitere Sprachen zu erlernen. Beispielsweise denken die Kinder auch beim spielerischen Lernen darüber nach, warum es im Englischen nur einen Artikel gibt, im Deutschen jedoch mehrere - und lernen daraus viel über die Strukturen beider Sprachen.

Ein grosser Pluspunkt ist, dass Kindergartenkinder Englisch und natürlich auch jede andere Sprache unabhängig von ihrer Sprachbegabung lernen. Wichtig ist jedoch, dass dies spielerisch und ohne Leistungsdruck geschieht.

Englisch im Kindergarten - Spracherwerb mit allen Sinnen analog zur Muttersprache

Der Spracherwerb erfolgt im Kindergarten nach dem Immersions-Prinzip. Das bedeutet, dass die Fremdsprache Umgangs- und "Arbeits"-Sprache ist, auch wenn die Kleinen sie noch nicht beherrschen. Sie erschliessen sich das Englische aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus - auf die gleiche Art und Weise, wie sie auch ihre Muttersprache lernen.

Erzieher bezeichnen diesen Vorgang auch als multisensorisches Lernen - also einen Lernprozess, bei dem alle Sinne angesprochen werden. Das Instrumentarium dafür sind Lieder, Geschichten, Spiele, kleine Theaterstücke, Spaziergänge, gemeinsame Mahlzeiten und vieles mehr - kurz: Der normale Kindergartenalltag, aber eben nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch.

Kinder zwischen drei und sechs sind übrigens meist von Natur aus "Plappermäuler". Sie haben Spass daran, ihre sprachlichen Fähigkeiten auszutesten und entwickeln dabei viel Fantasie und Kreativität. Für viele ist die zweite Sprache - in Verbindung mit Bewegung, Musik und Spiel ausgesprochen motivierend. Vokabeln und Grammatik büffeln gibt es beim Immersions-Lernen selbstverständlich nicht.

In einem zweisprachigen Kindergarten sprechen und hören die Kinder idealerweise mehrere Stunden täglich ausschliesslich die zweite Sprache. Die Kindergartengruppen werden meist von zwei Erzieherinnen betreut, die in einer der beiden Sprachen Muttersprachlerinnen sind und mit den Kindern jeweils nur in ihrer Sprache sprechen.

Das spielerische Englischlernen erfordert allerdings auch genügend Zeit. Wenn Sie sich für einen Kindergarten mit Englisch-Angebot entscheiden, sollte Ihr Kind wöchentlich mindestens 20 Stunden dort verbringen.

Englischsprachige Kindergärten - erschwinglich auch für Normalverdiener

Die Kosten für einen zweisprachigen Kindergarten können sehr unterschiedlich sein. Private englischsprachige Kindergärten können monatlich zwischen 500 und 1.000 Euro kosten. Sie wenden sich vorrangig an Kinder von englischsprachigen Eltern, die aus beruflichen Gründen in Deutschland sind und werden oft von deren Arbeitgebern finanziert.

Trotzdem sind sie vom Grundsatz her auch für andere Kinder offen. Deutsch spielt hier allerdings im Kindergartenalltag meistens keine Rolle. Andere Einrichtungen sind nur wenig teurer als einsprachige Kindergärten. Im Schnitt fallen für das Englisch-Programm zusätzlich zum üblichen einkommensabhängigen Elternbeitrag etwa 100 Euro an.

Englischsprachige Kindergärten gibt es heute nicht nur in den grossen Städten, sondern auch in vielen kleineren Kommunen. Einen guten Überblick über entsprechende Angebote an Ihrem Wohnort finden Sie beispielsweise auf der Webseite des FMKS e. V. - der Verein widmet sich der Förderung einer frühen Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen sowie Schulen und listet für jedes PLZ-Gebiet alle bilingualen Kindergärten auf.

Bedenkenswertes vor der Entscheidung für den Kindergarten mit Englisch-Angebot

Vor der Entscheidung für einen englischsprachigen Kindergarten sollten Sie jedoch auch einige kritische Punkte bedenken. Das spielerische Erlernen einer zweiten Sprache macht Kindern zwar in aller Regel Spass, kann jedoch auch zu einigen Schwierigkeiten führen:

  • Manche Kinder fühlen sich durch die fremde Sprache überfordert. Zwar lernen sie, diese zu verstehen, möchten - aus den verschiedensten Gründen - jedoch nicht aktiv Englisch sprechen. Druck Ihrerseits ist hier absolut kontraproduktiv und verstärkt nur die Unsicherheit und Überforderung Ihres Kindes.
  • Zum Teil können Kinder nicht eindeutig zuordnen, welche Worte welcher Sprache zugehören. Dies kann sprachliche Vermischungen sowie Unsicherheit in beiden Sprachen bewirken.
  • Wenn Kinder grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Aussprache oder in ihrem Grammatikverständnis haben, erstrecken sich diese meist auf beide Sprachen. Das Beheben solcher sprachlicher Probleme sollte sich auf die Muttersprache fokussieren.

Bei solchen Problemen oder auch, wenn Ihr Kind sich mit der zweisprachigen Erziehung im Kindergarten generell nicht wohlfühlt, sollten Sie es nicht zum frühen Englischlernen zwingen, sondern zu einem rein deutschsprachigen Kindergarten wechseln - für den Fremdsprachenerwerb bleibt auch im späteren Leben noch genügend Zeit.

Eine wichtige Frage vor der Wahl eines englischsprachigen Kindergartens ist auch, ob Ihr Kind danach in eine Schule gehen kann, die auch für Grundschüler ein Englisch-Angebot bereithält. Falls ein solcher nahtloser Übergang nicht möglich ist, wird das Englisch aus dem Kindergarten bald in Vergessenheit geraten.

Ein offenes Wort zu einer zweisprachigen Erziehung zu Hause

Praktizieren Sie diese bitte nur, wenn Sie oder Ihr Partner Englisch oder eine andere Sprache perfekt und auf muttersprachlichem Niveau beherrschen. Schulenglisch ist dafür keinesfalls geeignet. Falls Sie Ihr Kind zweisprachig erziehen, ist es optimal, wenn jedes Elternteil mit dem Kind ausschliesslich in seiner Sprache spricht.

Den Kindern bietet dies eine wichtige Orientierung, sie werden sich dadurch bald in beiden Sprachen zu Hause und nicht nur kommunikativ, sondern auch emotional gut aufgehoben fühlen.

Therapeutengeprüft

Dieser Artikel wurde von unserem Expertenteam geprüft.

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